Tschüss Schweinehund! Hallo Motivation!

Sport machen, sich im Team mehr engagieren, einen innovativen Projektvorschlag beim Chef einreichen, mehr Salat essen oder abnehmen. Die guten Vorsätze zum Jahresbeginn oder Frühlingsstart sind vielseitig und wir alle kennen fadenscheinige Ausreden zum Sich-selbst-in-Sicherheit-Wiegen und Anderen-die-Verantwortung-Zuschieben. Unser privater und beruflicher Alltag ist meistens stressig genug und deshalb ist es einfach wunderbar bequem, dem inneren Schweinehund die Führung zu überlassen und alles bleibt so wie es ist. Das Problem: So ändert man gar nichts.

Riccy Rother, Mitarbeiterin im Förderzentrum des CJD Erfurt, hatte genug von all den Ausreden und verpasste ihrem inneren Schweinhund einen Denkzettel, der sich gewaschen hat. Sie sagte ade zu einem unwohlen Körpergefühl und halbierte fast ihr Gewicht. Mit eisernem Willen, einer strikten Ernährung, jeder Menge Sport und vor allem viel Ausdauer, arbeitete sich die CJD-Mitarbeiterin auf ein gesundes Gewicht zurück. In ihrem Kopf hätte es irgendwann „Klick“ gemacht, verrät sie uns im Interview. Sie spricht über ihren Weg, ihre Erfahrungen und manchmal auch nicht ganz so einfache Zeiten. Vielleicht eine Inspiration für alle „Ich habe keine Zeit“- oder „Mach ich morgen“-Sager, endlich den guten Vorsätzen Taten folgen zu lassen.

Frau Rother, Sie haben ja ordentlich an Gewicht verloren und sich nahezu halbiert. Wie konnten Sie Ihren inneren Schweinehund an die Leine nehmen?

Im Januar 2013 sagte meine Kollegin zu mir, sie müsse ein paar Kilo abnehmen. Wohlbemerkt: Sie hatte eine schöne, schlanke Figur. Und ich hatte nur ein müdes Lächeln für ihre Idee übrig. Am nächsten Tag fing sie mit einer mir bis dahin unbekannten Low-Carb-Diät an. Irgendwie kratzte das an meinem Ego und das war der Beginn eines völlig neuen Lebensgefühls.

Anfänglich wollte ich nur 10 Kilo abspecken, aber letztendlich sind es dann doch noch einige Kilo mehr geworden. Mein innerer Schweinehund war einfach durch meine Glückshormone, die mit jedem Kilo wuchsen, Schach matt gesetzt. Insgesamt habe ich 40 kg abgenommen.

Riccy Rother hat ihr Wohlfühlgewicht erreicht.

Für alle, die das noch nie durchlebt haben, können Sie bitte einmal erklären wie schwer es ist, tatsächlich 40 kg abzunehmen?

Ich habe zahlreiche Bücher und Artikel über Low-Carb-Ernährung gelesen und ich hatte plötzlich richtig Lust auf all die neuen und vor allem gesunden Rezepte.
Doch nur durch die Ernährungsumstellung hätte ich diesen Gewichtsverlust nicht geschafft. Also musste ich mit Sport, Sport und nochmals Sport dem Speck den Kampf ansagen. Ich glaube es waren täglich ein bis zwei Stunden. Schwer war in den ersten vier Wochen vor allem der Dauermuskelkater vom vielen Walken. Mein Geheimtipp in dieser Zeit waren Magnesium und Teufelskralle.

Wenn es im Kopf einmal „Klick“ gemacht hat, dann trägt der innere Schweinehund ganz zahm seinen Maulkorb. Auch meine Kollegin hat mich von Anfang an immer wieder ermutigt durchzuhalten. Der schwerste Punkt war für mich nach 4 Wochen erreicht, denn da zeigte meine Waage mein Anfangsgewicht an. Nach so viel Schufterei und so vielen Entbehrungen muss man echt schlucken, wenn sich nix tut. Aber es gab einfach kein Zurück mehr und nach 8 Wochen waren meine ersten 10 Kilo geschafft und ich war überglücklich und voller Endorphine.

Abnehmen ist das eine, aber wie hält man das Gewicht, damit es nicht zum bekannten Jo-Jo-Effekt kommt?

Ich achte auch heute noch sehr auf meine Ernährung und mache weiterhin viel Sport. Zusätzlich hängen bei mir zu Hause Bilder von meinen „Glanzzeiten“, um mich daran zu erinnern, wie ich nie wieder aussehen möchte. Hinzu kommt, dass durch die Ernährungsumstellung meine Migräne sehr stark zurückgegangen ist. Auch das ist ein absoluter Motivationsgrund für mich dranzubleiben und nicht wieder Kuchen und Co zu futtern.

Apropos Migräne - Im Nachgang kann man viel leichter über private und berufliche Einschränkungen sprechen, die natürlich ein so hohes Gewicht mit sich bringt. Immerhin haben Sie bei 1,54 Meter damals 100 kg auf die Waage gebracht.  Können Sie mal ein paar gravierende Einschränkungen aufzählen?

Also beweglich war ich auch mit 100 kg, aber natürlich nicht so wie jetzt. Die größte Einschränkung war mein extremes Schwitzen und das war gerade auf Arbeit echt unschön und ich musste öfter die Kleidung wechseln. Mein Selbstbewusstsein war auch nicht gerade sehr ausgeprägt und fotografieren durfte mich auch niemand. Ich glaube, hätte ich nicht rechtzeitig die Kurve bekommen, wären dann auch bald die Gelenkschmerzen und Rückenprobleme aufgetreten.

Riccy Rother mit ihrer ehemaligen Kollegin Sabine Seider, die ihr den Anstoß zum Abnehmen gegeben hat.

Welche Rolle haben Familie, Freunde und CJD Kollegen für Sie beim Abnehmen gespielt?

Meine Kollegin, meine beste Freundin und auch meine Familie haben mir in der Zeit des Abspeckens absolut den Rücken gestärkt. Durch deren Lobeshymnen auf meine Erfolge, war auch das Weitermachen kein Problem. Meine Tochter musste an dem einen oder anderen Tag schon ein bisschen leiden und meine Launen aushalten. Bei Grillpartys oder Geburtstagen von Freunden wurde sehr viel Rücksicht auf mein hochgestecktes Ziel genommen. Die anderen aßen und tranken größtenteils nur das, was mein Ernährungsplan vorsah.

Was gefällt Ihnen am schlanken „Ich“ besser?

Am meisten gefällt mir, dass ich an meinen Kleiderschrank gehen kann und egal was ich herausziehe, es passt alles. Das Gleiche gilt für Shoppingtouren in der Stadt. Ich muss nicht mehr in der hintersten Ecke an einem verlassenen Übergrößenständer krampfhaft nach Hosen suchen. Natürlich gefallen mir auch die Blicke der Männerwelt, wenn ich eine Jeans anhabe, die das Hinterteil gut formt. Und ich habe während meiner Verwandlung auch viele Komplimente bekommen, das war ich gar nicht gewohnt. Einige Bekannte sind sogar an mir vorbeigelaufen, weil sie mich nicht wiedererkannt haben.

Wie haben Sie das Abnehmen im Arbeitsalltag geschafft?

Die meisten Menschen finden ja immer Ausreden, weshalb sie sich nicht bewegen können. Nach dem Motto „Wie soll das gehen, bei einem 40 Stunden Job?“ Aber ich bin der beste Beweis, dass man es schaffen kann, auch bei einer Vollzeitstelle. Den sportlichen Teil habe ich teilweise mit dem Weg zur Arbeit verbunden. Ich bin einfach morgens und nachmittags 40 Minuten zur und von der Arbeit gelaufen. Im Winter durch 20-30 cm hohen Schnee zu laufen war schon anstrengend, aber anstatt wie vermutet fix und alle zu sein, bekam ich durch diese Betätigung am Morgen nur noch mehr Energie. Neben meinem Sport auf dem Arbeitsweg habe ich fast jeden Abend eine bis eineinhalb Stunden Nordic Walking gemacht.

Low-Carb gerechte Lebensmittel gab es genug in der CJD Kantine. Ich habe einfach nur die Kohlenhydrate (Kartoffeln, Reis, Nudeln) weglassen und mehr Gemüse gegessen. Aber es hat mir auch riesigen Spaß gemacht, abends neue Rezepte auszuprobieren und meine Kollegen am nächsten Tag kosten zu lassen. Selbst heute backe, koche und mixe ich fast alle Gerichte selbst zusammen, denn so kann ich mir sicher sein, was an Kalorien und Zucker drin ist.

Meine  Stimmungsschwankungen bekam ich auf Arbeit ziemlich schnell in den Griff. Alle Kollegen fieberten einfach mit und jeder hatte einen guten Tipp auf Lager oder auch mal tröstende Worte.

Wenn Sie Ihre Ernährung jetzt und früher vergleichen, was hat sich geändert?

Ich habe meine Ernährung komplett umgestellt. Inhaltsstoffe sind mir jetzt wichtig. Heute ernähre ich mich auf jeden Fall viel gesünder und bewusster als früher. Ich habe in den vergangenen Jahren viel mehr ausprobiert und Spaß an Lebensmitteln gewonnen, die ich früher verabscheute. Natürlich nasche ich auch mal hin und wieder, aber dann fällt eben das Abendessen besonders gesund aus, oder ich schnapp mir meine Laufschuhe und drehe eine Extrarunde.

Mal Hand aufs Herz: Gibt es im Job, gerade wenn es stressig ist, auch mal „Rückfälle“? Bekommen Sie beispielsweise mal Lust auf einen Schokoriegel? Und wenn ja, was tun Sie dagegen?

Selbstverständlich gibt es diese Situationen, alles andere wäre gelogen. Für solche Fälle habe ich zwei Strategien. Zum einen halte ich mir genau die Anzahl der Kalorien vor Augen und rechne mir aus, was ich dafür tun müsste, um diese wieder abzutrainieren. Zum Beispiel hat ein Marsriegel 449 Kalorien, dafür müsste ich 45-50 Minuten joggen gehen. Zum anderen ist es mein geballtes Wissen über Ernährung. Denn wichtig ist, dass man sich nicht alles verbieten darf. Ich esse sehr gerne Tortilla Chips mit Käse Sauce. Wenn ich mir die gönne, dann esse ich tagsüber nur Gemüse, so dass sich das mit den Kalorien wieder ausgleicht. Und wenn ich auf Arbeit mal Lust auf 449 Kalorien extra habe, dann esse ich den Marsriegel und achte anderweitig auf den Ausgleich.

Wie können Sie Ihre Zielstrebigkeit, die Sie in den vergangenen 5 Jahren eindrucksvoll bewiesen haben, auf Ihren Job übertragen bzw. nutzen?


Ich weiß, dass ich alles schaffen kann, wenn ich dran bleibe. Und genau dieses Wissen teile ich gern in den Pausen mit allen Kollegen im CJD. Manchmal sind es Tipps zur Ernährung oder eine Sportübung, die Verspannungen im Rücken lockern. Außerdem haben wir im Förderzentrum ein Projekt „Gesunde Ernährung“ für unsere Kunden ins Leben gerufen. Hier geht es aber keinesfalls um Diäten oder besondere Ernährungsformen, sondern vielmehr darum, die Projektbeteiligten an selbstgemachte und gesunde Alternativen heranzuführen. Gemeinsam backen wir Kuchen, der nur durch Obst seine Süße erhält oder wir mixen leckere Smoothies. Wichtig ist, dass die Lust am gemeinsamen Ausprobieren von Rezepten und das Experimentieren mit gesunden Lebensmitteln Spaß macht.

Sie bieten im CJD Erfurt ebenfalls einen Rückensport- und Bauch-Beine-Po-Kurs als Präventionsmaßname an. Wie kam es dazu und welchen Mehrwert haben die Angebote Ihrer Meinung nach?

Das CJD Erfurt wollte gern mehr für die betriebliche Gesundheitsförderung der Mitarbeiter anbieten, um gesundheitliche Belastungen vorzubeugen. Ich bin Physiotherapeutin und besitze eine Zusatzausbildung als Rückenschullehrerin und medizinische Trainingstherapeutin, somit erfüllte ich die Anforderungen, derartige Kurse professionell anzubieten. Mein Kollege Marcel Schmidt und ich teilen uns in die Sportangebote rein. Ganz klar haben derartige Präventionsmaßnahmen einen Mehrwert für Mitarbeiter und das Unternehmen. Sie steigern die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter, sie beeinflussen positiv die Skelettmuskulatur und das Herz-Kreislauf-System sowie die psychische Gesundheit. Sport beugt Krankheiten und Übergewicht vor und die gemeinsame Sportzeit sorgt für ein besseres Betriebsklima und stärkt die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Die Liste kann man sicher noch endlos weiterführen.

An dieser Stelle möchte ich alle Menschen im CJD Erfurt noch einmal ganz herzlich zu den Sportstunden einladen. Sprecht mich einfach an und wir bewegen uns bald gemeinsam.

16.05.2018