Wenn aus Worten Taten werden – Vom Leben mit einer Flüchtlingsfamilie

17.03.2022 CJD Erfurt « zur Übersicht

Die aktuelle Situation in der Ukraine macht viele Menschen fassungslos und die Spendenbereitschaft ist groß. CJD-Mitarbeiter David Gollee wollte privat mehr tun und konkret handeln. Er und seine Frau haben sich als frischgebackene Hausbesitzer ohne zu zögern an den Verein Ukrainische Landsleute in Thüringen e.V. gewendet. Sie haben eine komplette Etage in ihrem Haus als Unterkunft für geflüchtete Familien angeboten.

Anfang März signalisierte das Paar dem Thüringer Verein die Bereitschaft, eine Familie aufzunehmen. Bereits am nächsten Morgen kam ein Anruf. Noch am gleichen Abend sollte eine 4-köpfige Familie – Mutter, Vater, Kind und Oma – bei David und seiner Frau einziehen. Der Vater durfte die Ukraine nur verlassen, weil er auf einem Auge blind ist.

Eine noch unmöblierte Etage im Eiltempo für eine Familie herzurichten, schafft man nicht ohne Hilfe von Freund*innen und Bekannten. Große Unterstützung fand David bei seiner Community von CrossFit Erfurt, die mit Sach- und Geldspenden spontan halfen. Im Eiltempo wurden mit diesen und aus eigenen finanziellen Mitteln Betten, Decken, Bettwäsche, Tisch, Hygieneartikel und Lebensmittel für die erwarteten Flüchtlinge gekauft. David konnte für alle Vorbereitungen spontan einen Tag Urlaub nehmen, trotzdem war der Zeitdruck enorm und die Aufregung groß.

Der Einzug

Und dann zog sie ein, eine völlig fremde Familie, die geprägt ist von den schrecklichen Ereignissen der vergangenen Wochen. David und seine Frau gaben der Familie genügend Zeit, Ruhe und Raum um anzukommen. Sie stellten keine Fragen, hörten zu, boten etwas zu essen an, lächelten und waren einfach da. „Die Traumatisierung bei der Familie sitzt tief. Wir wissen um den Schmerz der Menschen und sind einfach da, wenn sie uns brauchen“, erklärt David.

Ein Türöffner im Alltag mit der Familie und beim Verarbeiten der Erlebnisse ist Davids Labrador Leah. Die Hündin wuselt zwischen der geflüchteten Familie umher, fordert Streicheleinheiten von der kleinen Tochter und begleitet die Oma und die Enkelin bei Spaziergängen durch den nahegelegenen Wald. Die Verständigung mit der Familie klappt problemlos, denn die Mutter hatte eine Sprachschule in der Ukraine und spricht fließend deutsch.

Ein neuer Alltag

Doch wie sieht derzeit der Alltag aus? David geht tagsüber arbeiten, denn auch im CJD wird er gebraucht. Er arbeitet seit zwei Jahren in einem unserer stationären Wohnangebote. Hier ist er verantwortlich für den Hauswirtschaftsbereich, für kreative Kochkurse mit Bewohner*innen und jede Menge gute Ideen.

Davids Frau arbeitet viel im Home-Office und geht täglich mit Labrador Leah spazieren, bei der sie ab und zu von der Großmutter und Enkelin begleitet wird. Die geflüchteten Eltern engagieren sich sehr viel in dem Ukrainischen Landsleute e.V. in Erfurt. Das kleine Mädchen verbringt öfters Zeit bei David und seiner Frau, die Oma hingegen sucht eher die Ruhe oder werkelt etwas im Garten.

Wer Zeit und Lust hat, trifft sich nachmittags am großen Küchentisch zum Kaffeetrinken. Auch andere Ukrainer*innen kamen schon zum Austausch zu Besuch.

Alles andere als einfach

Für David und seine Frau ist die psychische Belastung durch die vielen traurigen Geschichten und Informationen seit dem Einzug der Familie noch mehr zur Realität geworden.

Umso wichtiger ist es, der Familie genügend Zeit und Freiheit zu geben, anzukommen und weiter zu planen. Demgegenüber steht Davids Bedürfnis, zu helfen, etwas aktiv zu machen, was oft auch sehr schwierig ist, da er niemanden mit seiner Unterstützung erdrücken möchte. Dennoch bereut er nichts an der Entscheidung, Haus und Herz für Flüchtlinge in diesen so schweren Tagen zu öffnen. „Wenn der gesellschaftliche Raum mit guten Taten, Werten, Zusammenhalt und Licht gefüllt sind, bleibt kein Platz mehr für Hass, Verschwörungstheorien und Gewalt“, ist David überzeugt.

Mittlerweile ist die Familie aus der Ukraine auch in Deutschland registriert. Wer für die Nebenkosten etc. aufkommt, ist jedoch noch ungeklärt. Nach Auskunft des Amtes darf kein eigenständiger Vertrag mit den Geflüchteten geschlossen werden, dies darf nur die Ausländerbehörde mit den Wohnungsgeber*innen. Wann es diesbezüglich zu einer Klärung kommen wird, ist derzeit noch offen. Das wiederum bedeutet, dass David zurzeit für alle anfallenden Kosten selbst aufkommen muss, ohne zu wissen, ob und was er erstattet bekommt. 

Durch Menschen aus dem CJD, wie David, bekommt der Slogan „Das Zusammen wirkt“ über den Tellerrand unseres Unternehmens hinaus noch einmal eine ganz neue Dimension. Der 34-Jährige ist einer von den Alltagshelden, für die Helfen eine Selbstverständlichkeit ist. Danke David, dass du Teil des CJD bist!

Unterstützung – aber wie?

David braucht derzeit keine Unterstützung mehr für die Familie, die bei ihm lebt. Doch an anderen Stellen werden sowohl Sachspenden als auch Geldspenden dringend gebraucht.

Eine aktuelle Liste an benötigten Hilfsgüter ist z.B. auf der Facebook-Seite des Vereins Ukrainische Landsleute in Thüringen e.V. zu finden: https://www.facebook.com/gut.wille.freiheit

Als Mitglied der Diakonie und des CVJM verweist das CJD auch auf die Hilfsaktionen des YMCA Europe und der Diakonie Katastrophenhilfe unter anderem in Rumänien und Moldawien.
https://www.cvjm.de/website/de/cv/themen-bereiche/aktion-hoffnungszeichen/ukraine-cvjm-hilft
https://www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spende/ukraine