Spielend sprechen lernen – Wie Ballspielen, Verstecken und Prinzessin sein die Sprachentwicklung fördern

19.07.2018 CJD Erfurt « zur Übersicht

Kinder quietschen, brummen, schreien und jauchzen. Dies sind alles wichtige Anfänge der Sprachbildung, um Kontakte herzustellen, miteinander in Beziehung zu treten und sich anderen mitzuteilen. Im Laufe des Lebens wird durch die Sprache notwendiges Wissen angeeignet. Jedes Kind entwickelt beinahe unbewusst seine Sprache und tut dies im eigenen Rhythmus. Pädagogen im Kindergarten sind an diesem persönlichen Entwicklungsprozess ebenso beteiligt wie Eltern, Großeltern, Geschwister oder andere Bezugspersonen.

Bereits seit Januar 2016 ist der CJD-Kindergarten „Die kleinen Europäer“ Mitglied im Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mit dem Programm fördert das Bundesfamilienministerium alltagsintegrierte sprachliche Bildung als festen Bestandteil in der Kindertagesbetreuung. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Chancengleichheit.

Ivonne Berner ist Heilerziehungspflegerin und Fachkraft für sprachliche Bildung im CJD-Kindergarten. Durch sie wird noch einmal mehr der Fokus auf die Sprachbildung gelegt und die Zusammenarbeit mit den Eltern ausgebaut. Wir haben mit ihr über den Zusammenhang vom Spielen und der Sprachentwicklung im Kindergarten gesprochen.

Im Kindergarten wird sehr viel gespielt. Welchen Einfluss hat das tägliche Spielen auf die sprachliche Entwicklung der Kinder?

Spielst du mit mir? Diese Frage wird in unserem Kindergarten mehrmals täglich gestellt. Egal, ob es die Kinder untereinander sind und sich auffordern oder wir als Pädagogen das Spiel einleiten bzw. inszenieren. Das Spiel ist die Grundlage für jegliches Begreifen und Verstehen und das geschieht mit Spaß und Freude. Durch das Spielen erobern sich die Kinder ihre Welt und entdecken und entwickeln ihre sprachlichen Fähigkeiten.

Ab welchem Alter beginnt die Sprachentwicklung?

Die Weichen fürs Sprechenlernen werden bereits im Mutterleib gestellt. Hier nimmt das Ungeborene typische Geräuschen wahr, wie zum Beispiel den Herzschlag der Mutter und auch deren Stimme. Die Sprachzentren im Gehirn sind bereits bei der Geburt vorhanden und das neugeborene Kind kann Sprachlaute aus einer Fülle an Geräuschen herausfiltern.

Schon Säuglinge treten im sogenannten Funktionsspiel mit ihrer Umwelt in Kontakt und schaffen somit in ihren unterschiedlichsten Wahrnehmungen eine Basis für die spätere Zuordnung von Begrifflichkeiten. Zum Beispiel: Was ist hart oder was ist weich?

Auch beim Lauschen von Alltagsgeräuschen wird schon früh die auditive Wahrnehmung geschult und somit die Sprachaufnahme gefördert. Sprachbasierte Interaktion findet so mittels Hörspielen statt. Wörter zählen, Silben klatschen, Wörter mit bestimmten Buchstaben am Anfang sammeln oder zwischen richtigen und falsch gesprochenen Wörtern unterscheiden – all dies fördert nicht nur in der Kindergartenzeit das genaue Hinhören und das phonologische Bewusstsein. Es bildet einen entscheidenden Ausgangspunkt für den gelungenen Schriftspracherwerb für den späteren Schulbesuch.

Können Sie beschreiben, wie Kinder beim Spielen Ihren Wortschatz erweitern?

Im freien Spiel kommt es nicht selten zum Rollen- oder Symbolspiel. Hier können die Kinder heute eine Prinzessin und morgen ein Feuerwehrmann oder ein Familienvater mit sechs Kindern sein. In diesen Spielsituationen „so tun als ob“, sich zu verkleiden und dabei genaue Handlungen nachstellen, ist wichtig. Zwischen den Beteiligten entsteht die notwendige Interaktion, um Verhaltensweisen und Erwartungen unter- und miteinander zu kommunizieren und zu imitieren. Solche Spiele sind nicht selten mit Konflikten gespickt und demzufolge mit Problemlösungen und Kompromissen verbunden. Es werden Gefühle zum Ausdruck gebracht, fiktive wie auch erlebte Geschichten wiedergegeben. Insgesamt erweitern sich dadurch die Ausdrucksmöglichkeiten und der Wortschatz eines Kindes ungemein. Im Bereich der Grammatik werden neue Worte gebildet; durch Steigerungsformen wie „viel, am meisten“ und Präpositionen „unter, neben“ oder die Verwendung von Einzahl und Mehrzahl und vieles mehr. Es entstehen komplexe Sätze und werden zu offenen Erzählungen.

Auch bei einem Regelspiel wie Verstecken und Fußball werden viele Absprachen getroffen. Die Kinder einigen sich über das Ziel und den Ablauf. Und manchmal gibt es Gewinner und Verlierer. Das wiederum fördert soziale und kognitive Fähigkeiten, die wertvoll für die Sprachentwicklung sind. Gleiches gilt für Bewegungsspiele.

Was tun Sie und das Pädagogen-Team im Kindergarten für einen gelungenen Spieletag der Kinder?

Wir bieten den Kindern eine vorurteilsfreie Umgebung, in der alle altersgerechten Spielformen stattfinden können. Wir begleiten die Kinder in ihrer Spielentwicklung und somit in ihrer Sprachentwicklung.

Wie können Eltern im Alltag ihr Kind im Spracherwerb unterstützen?

Sie können ihr Kind ganz einfach unterstützen, indem sie von Anfang an ein Spielpartner ihres Kindes sind und viel mit ihm Spielen. Denn Astrid Lindgren meinte schon: „Wenn man genügend spielt, solange man klein ist, trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann.“