Der CJD-Boomerang-Effekt

12.10.2023 CJD Erfurt « zur Übersicht

Berufliche Karrieren verlaufen selten gerade. Und manchmal führen sie zum Ex-Arbeitgeber zurück. Ein klassischer Boomerang-Effekt. Der klare Vorteil dabei: Beide Seiten kennen sich schon, keiner kauft die Katze im Sack.

Die Erfurter Werkstätten machen aktuell auch diese positive Erfahrung, und zwar mit ihrem neuen Werkstattleiter Volker Kühn. Denn der 54-Jährige hat vor ein paar Jahren sein Duales Studium in unserem Unternehmen absolviert. Dabei hat er viele praktische Erfahrungen gesammelt, u.a. im CJD-Kindergarten und in der Interdisziplinären Frühförderstelle.

Später wechselte Volker Kühn zu einem anderen Träger in der Sozialbranche. Im Nachgang unbezahlbare Erfahrungen für uns als Arbeitgeber.

Doch dann wurde die Stelle des Werkstattleiters m CJD Erfurt ausgeschrieben und der sportliche Thüringer ergriff die Chance und schnappte sich seinen Traumjob. Um sich einen ersten Überblick in den Erfurter Werkstätten zu verschaffen, hat er in jedem Arbeitsbereich mit angepackt.

Nach seinem CJD-Comeback haben wir Volker Kühn nun ein paar Fragen über seine Rolle als Werkstattleiter, seinen Arbeitsalltag und seine Visionen gestellt.

Auch in unserem Videointerview lässt sich Volker Kühn nicht aus der Ruhe bringen. Hier geht es zum Video.


Volker, du hast bereits in der Interdisziplinären Frühförderung und im Kindergarten des CJD in Erfurt gearbeitet. Dann hast du das CJD für eine Weile verlassen. Was hat dich gereizt, zurückzukehren und den Job als Werkstattleiter anzutreten?

Nach dem erfolgreichen Abschluss meines Studiums gab es im CJD Erfurt leider keine passende Stelle für mich. Ich fand eine neue Aufgabe bei der Sozialwerk Meiningen gGmbH im Teilhabezentrum Zella-Mehlis. Dort leitete ich die Ambulanten Hilfen für psychisch kranke Erwachsene und die Kinder- und Jugendhilfen für Kinder, deren Eltern psychisch erkrankt sind. Hier habe ich eine Menge Erfahrungen sammeln dürfen, die mir in meinem jetzigen Job zugutekommen.

Ich habe den Kontakt zum CJD weiterhin gepflegt. Während dieser Zeit habe ich zum Beispiel auch einen Praxisbericht über die Interdisziplinäre Frühförderstelle des CJD Erfurt in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Nun bin ich seit dem 1. Juli 2023 zurück im CJD. Es ist für mich ein Gefühl wie Heimkommen zu meiner Familie.

An dem Job des Werkstattleiters reizt mich hauptsächlich, dass hier nicht nur über Inklusion geredet wird, sondern dass diese hier täglich ganz selbstverständlich gelebt wird. Für alle Mitarbeitenden besteht die Möglichkeit, in den ersten Arbeitsmarkt übernommen zu werden. Aber auch auf den Außenarbeitsplätzen und selbst in der Werkstatt bestehen inklusive Arbeitskontexte, wie man sie kaum in anderen Arbeitsfeldern der sozialen Arbeit erleben kann.

Welche spezifischen Fähigkeiten und Qualifikationen bringst du mit, von denen die Werkstatt in Zukunft profitieren kann?

Ich bin gelernter Handwerksmeister und habe 20 Jahre lang erfolgreich ein Gewerbe ausgeführt. Betriebswirtschaftliches Denken und Handeln sind mir also geläufig. Die Ausbildung zum Sozialpädagogen ist für viele Menschen ein Widerspruch zur Betriebswirtschaft. In meiner Person kann ich beide Perspektiven verstehen und gut miteinander verknüpfen. Außerdem bin ich in der Lage, wirtschaftliche Entwicklungen zu analysieren und Risiken real einzuschätzen. Diese Eigenschaften sind bei Precast, Budgetierung und mittelfristiger Entwicklungsplanung von Vorteil.

Wie würdest du deinen Job mit 5 Schlagworten beschreiben?

Im Job des Werkstattleiters musst du Pädagoge, Bänker, Stratege, Alltagsbegleiter und aufmerksamer Zuhörer in einer Person sein.

Oft stehen Werkstätten für Menschen mit Behinderungserfahrungen in der Kritik. Fördert denn deiner Meinung nach das System der Werkstätten einen inklusiven Arbeitsmarkt?

Der Gesetzgeber kann immer nur die Rahmenbedingungen vorgeben, in der Hoffnung, dass dann die erwünschten Entwicklungen in der Gesellschaft eintreten. Mit dem BTHG hat die Bundesregierung schon im Dezember 2016 den Grundstein für Teilhabe und Inklusion am gesellschaftlichen Leben sowie inklusive Teilhabe am Arbeitsleben gelegt. Interessant wird es dann, wenn man schaut, wie die Vorgaben bei den einzelnen Trägern und deren Angeboten umgesetzt werden. Ja die Werkstätten für Menschen mit Behinderungserfahrungen sind in der Lage, eine Teilhabe am inklusiven Arbeitsmarkt zu fördern und zu verwirklichen. Die Erfurter Werkstätten des CJD sind ein wahrhaftes „Paradebeispiel“ für die gelebte Inklusion aller Teilnehmenden, egal in welchem Teilbereich diese tätig sind. Diese Situation haben wir vorwiegend den Mitarbeitenden, den Pädagogischen Leitungen vom Begleitenden Dienst und dem Fachbereichsleiter für Arbeit und Beschäftigung, Daniel Habenicht, zu verdanken.

Was können Firmen tun, um Menschen mit Behinderungserfahrungen eine Perspektive zu geben? Welche Rolle spielen dabei die Erfurter Werkstätten?

Der Jobcoach ist die „Schlüsselperson“ zu den ausgelagerten Arbeitsplätzen und möglichen Partnerfirmem am ersten Arbeitsmarkt. Unser CJD-Kollege Thomas Hartung leistet hier hervorragende Arbeit. Er führt Erstgespräche, eruiert mit den möglichen Partnerfirmen eventuelle Tätigkeiten, die unsere Mitarbeitenden leisten können, hält den stetigen Kontakt zu unseren Partnern und begleitet natürlich unsere Mitarbeitenden an den Außenarbeitsplätzen. Selbst nach der Übernahme auf den ersten Arbeitsmarkt betreut der Jobcoach weiterhin unsere ehemaligen Mitarbeitenden.

Welchen beruflichen Herausforderungen wirst du wohl in Zukunft begegnen und gibt es aus deiner Sicht dafür schon konkrete Lösungsansätze?

Die Herausforderungen ähneln denen in der gesamten deutschen Wirtschaft. Eine WfbM ist auch ein Wirtschaftsunternehmen und eng mit seinen Partnerunternehmen verbunden. Der demographische Wandel, der Fachkräftemangel, die geopolitische unsichere Lage, der Klimawandel und der unsichere Energiemarkt sind nur einige Faktoren, die hier zu nennen sind. Lösungsansätze entstehen beim Tun. Das heißt, man muss sich mit den Herausforderungen auseinandersetzen und darf nicht warten was passiert. Also agieren und nicht reagieren.

Wie können sich Mitarbeitende in den Erfurter Werkstätten beruflich und persönlich weiterentwickeln?

In unserem Berufsbildungsbereich wird zurzeit an Binnendifferenzierten Bildungsplänen gearbeitet. Diese werden dann mit der IHK und/oder der Handwerkskammer abgestimmt, sodass unsere Teilnehmenden (Teil-)Abschlüsse absolvieren können, die auf dem ersten Arbeitsmarkt anerkannt sind.

Des Weiteren werden alle unsere Mitarbeitenden in vielen verschiedenen Bereichen gefördert, solange sie das wünschen. Der selbstbestimmte Wunsch unserer Teilnehmenden steht an oberster Stelle.

Welche langfristigen Ziele und Visionen hast du für die Weiterentwicklung deines Bereichs?

Ich möchte in der Zukunft eine Situation erleben, in der es gar keine Diskussion mehr über Inklusion gibt. Es muss so selbstverständlich sein, dass alle Menschen miteinander arbeiten, zusammen leben und gemeinsam die Gesellschaft gestalten. Meine Vision ist, dass eine aktive Unterstützung der Inklusion die Inklusionsdiskussion überflüssig gemacht hat.

Privat gefragt – Was machst du nach einem stressigen Arbeitstag, um den Kopf frei zu bekommen?

Ich bin ein „Draußenkind“. Ich lebe im Thüringer Wald und freue mich jeden Tag aufs Neue, nach Feierabend den Bergen entgegenzufahren. Laufen, Radfahren, Wandern und Ski-Langlauf und das alles im Wald, das befreit meinen Körper und Geist.