Von der Vollzeit-Mama zurück zum Vollzeit-Job – zwischen Kind und Karriere
Kind und Karriere – viele Frauen möchten beides. Eine von ihnen ist Sandy Becker. Sie leitet den Kindergarten „Die kleinen Europäer“ des CJD Erfurt und ist nach einem Jahr Babypause wieder Vollzeit in Ihren Job eingestiegen. Wir haben das zum Anlass genommen, um mit ihr über die Elternzeit und den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu sprechen. Da die junge Leiterin von dem Konzept ihres Kindergartens überzeugt ist, war von Anfang an klar, dass auch ihr Jüngster dort einen Platz bekommt. Gerade läuft die Eingewöhnung in der Krippe und da alles ganz unkompliziert ist, konnten wir vor dem Interview auch einen Schnappschuss von beiden einfangen.
Frau Becker, Sie waren eine Weile Vollzeit-Mama. Wie fühlt es sich jetzt an, wieder zurück am Arbeitsplatz zu sein?
Es ist ein schönes Gefühl, wieder zu arbeiten, Projekte zu entwickeln, Elterngespräche zu führen und den Trubel um mich herum zu haben. Aber ich vermisse natürlich auch den entspannten Start in den Tag mit meinem Sohn und die ausgedehnten Spaziergänge bei Wind und Wetter. Nun sind meine Tage wieder sehr durchstrukturiert, aber das ist ja der Lauf der Dinge.
Waren Sie an Ihrem ersten Arbeitstag nach der Babypause aufgeregt?
Ein bisschen. Aber weniger wegen der Arbeit, sondern vielmehr weil ich mich gefragt habe, ob mich mein kleiner Mann vermisst und ob mein Partner, der noch zwei Monate Elternzeit mit unserem Sohn hat, alles reibungslos hinbekommt. Da ich ja immer wieder Kontakt zu den Kollegen hatte, wusste ich in groben Zügen, was auf Arbeit auf mich zukommt.
Worauf haben Sie sich am meisten gefreut?
Wieder mehr Kontakt mit anderen Menschen zu haben, anstatt nur mit Müttern. Vor allem auf die netten Gespräche mit Kollegen, in denen es mal nicht um Breirezepte, babyfreundliche Badezusätze und solche Dinge geht.
Wie lange hat es gedauert bis der Arbeitsalltag wieder eingekehrt ist?
Nach meinem ersten und auch dem zweiten und dritten Tag war ich ganz schön platt. So viele Informationen, die ich mir merken musste. Auf dem Nachhauseweg ging mir durch den Kopf: das dauert doch Wochen, bis ich wieder so richtig im Arbeitsmodus drin bin. Aber bereits nach einer Woche hatte ich die wichtigsten Dinge wieder präsent und abrufbar und ich war eigentlich wieder angekommen im turbulenten Kindergartenalltag.
Wie managen Sie jetzt Beruf und zwei Kinder?
Zum einen habe ich einen sehr umsichtigen Partner, der mich in allem unterstützt. Außerdem gibt es Großeltern, die mit anpacken und auch meine große Tochter hilft, wenn es mal klemmt. Sie ist mit ihren 15 Jahren definitiv nicht mehr auf meine Bespaßung am Nachmittag angewiesen. Da dreht sich unser Freizeitprogramm mittlerweile doch eher um unseren Kleinsten. Ich muss ganz klar sagen, dass ich die Zeit mit meiner Familie viel intensiver nutze. Mir bleibt ja nun oft nur der späte Nachmittag und Abend, aber dafür genieße ich diese Stunden dann umso mehr.
Welche Hürden müssen Sie nun im Arbeitsalltag und Privatleben überwinden? Wie schaffen Sie es, den „ganz normalen Wahnsinn“ zu meistern?
Ich finde, wer Beruf und Familie unter einen Hut bekommen will, braucht Struktur. Für mich ist ein gutes Zeitmanagement wichtig. Manchmal wünschte ich, mein Tag hätte ein paar Stunden mehr, vor allem, wenn viele Dinge erledigt werden müssen. Ich versuche jetzt, dass ich meine Arbeitszeit stärker strukturiere und lange Arbeitstage von 7 bis 19 Uhr seltener vorkommen, damit ich auch noch etwas von meinem Sohn habe. Spontane Verabredungen sind gerade nicht so einfach möglich. Damit private Treffen und Interessen dennoch nicht zu kurz kommen, muss ich meine Termine jetzt eine Weile im Voraus planen. Das ist vielleicht etwas spießig, aber so funktioniert es für mich am besten. Damit der Familienalltag reibungslos läuft, müssen alle an einem Strang ziehen. Das ist vor allem eine Frage der Organisation.
Hat die Auszeit mit Ihrem Baby Ihre Sicht auf bestimmte Dinge verändert?
Als Kindergartenleiterin sollte man aus meiner Sicht immer die Empathie besitzen, sich sowohl in die Rolle der Eltern als auch in die des Kindes hineinzuversetzen. Diese Fähigkeit hat sich allerdings nach der Elternzeit schon verstärkt. Ich weiß nun aus eigener Erfahrung und vor allem ganz aktuell, was die Sorgen und Nöte von Eltern sind. Aber auch Themen wie die Ernährung im Kindergarten oder aus welchen Materialien Spielzeug beschaffen sein sollte, haben nun nochmal einen anderen Stellenwert bekommen.
Wie haben ihre Chefs damals reagiert als sie erfahren haben, dass Sie nochmal ein Baby bekommen?
Sie waren ein bisschen überrascht und haben sich dann sehr gefreut. Ich denke die Überraschung rührte daher, dass ich ja schon eine sehr selbstständige Tochter im Teenageralter habe. Es ist wohl eher die Ausnahme, sich nach 15 Jahren nochmal für Nachwuchs zu entscheiden.
Sie haben eine Führungsposition, wie einfach war es Ihnen möglich, in Elternzeit zu gehen?
Ich habe eine tolle Stellvertreterin. Bevor ich in Mutterschutz gegangen bin, habe ich ganz intensiv mit ihr zusammengearbeitet, damit sie in meiner Abwesenheit über alles im Bilde war. Während meiner Elternzeit musste ich mir deshalb keine Sorgen um die Arbeit machen, weil ich wusste, dass es dort ohne mich gut läuft.
Haben Sie während der Elternzeit trotzdem Anteil am Leben im Kindergarten genommen?
Ja klar. Ich hatte häufig Kontakt, telefonisch und auch persönlich, zu den Kollegen im Haus und natürlich zu meiner Stellvertreterin. Außerdem habe ich während der Elternzeit meinen Auszubildenden betreut und begleitet. Er macht beim CJD eine Ausbildung zum Jugend- und Heilerziehungspfleger und ich habe ihm auch während der Elternzeit als sogenannte Praxisbegleiterin mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Das war eine sehr schöne Abwechslung zum Babyalltag.
Wie wird im CJD Erfurt der Wiedereinstieg für Mitarbeiter nach ihrer Elternzeit gestaltet?
Also generell kann man sagen, dass rechtzeitig vor der Wiederaufnahme der Arbeit mit dem Mitarbeiter geklärt wird, wie und wann der Wiedereinstieg erfolgt. Möglicherweise sind Veränderungen notwendig, um beispielsweise die Arbeitszeiten den familiären Anforderungen besser anpassen zu können. Das war aber bei mir nicht der Fall. Ich starte genauso wie ich aufgehört habe. Was ich sehr als Entlastung empfunden habe, war die Zusicherung einer dreiwöchigen Einarbeitungszeit mit meiner Stellvertreterin. Das war wirklich eine große Erleichterung, denn so hatte ich nicht den Druck, alles gleich von Anfang an allein stemmen zu müssen. Ich glaube es ist grundsätzlich ein Geben und Nehmen. Der Arbeitgeber muss die nötige Flexibilität sicherstellen, die ein Mitarbeiter mit familiären Pflichten braucht und der Mitarbeiter muss das nötige Engagement für die Firma zeigen. Man muss sich gegenseitig vertrauen.
Würden Sie sagen, dass das CJD Erfurt ein familienfreundlicher Arbeitgeber ist?
Das kann ich ganz klar bejahen. Das CJD Erfurt bemüht sich, für seine Mitarbeiter passende Lösungen zu finden, damit sie Familie und Beruf gut miteinander verbinden können. Allerdings sehe ich auch noch Entwicklungspotenzial. Zum Beispiel könnte man bereits vor der Elternzeit den Wiedereinstieg planen, das gäbe dann den jungen Müttern ein bisschen mehr Sicherheit. In Bezug auf mögliche Arbeitszeitmodelle steht das CJD meiner Meinung nach erst am Anfang. Wir haben aus meiner Sicht bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten eruiert, die eine Verbesserung für die Mitarbeitenden darstellen würden. Dazu müsste zum Beispiel geprüft werden an welchen Stellen Homeoffice angeboten werden kann. Im Kindergarten steigt der Dokumentationsaufwand stetig. Hier stellt sich die Frage, ob diese unbedingt immer am Arbeitsplatz oder nicht doch auch von zu Hause aus erledigt werden kann.
Haben Sie einen heißen Tipp für Frauen, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren wollen?
Ich fand es sehr schön, auch während meiner Elternzeit in regelmäßigen Abständen Kontakt zu meinem Team im Kindergarten und zu anderen Kollegen im CJD zu haben. Mir war es wichtig, dass ich trotz Krabbelgruppe und Windelwechseln einen groben Überblick über die Veränderungen im Unternehmen behalten habe. Es muss ja nicht jede Woche sein, aber ab und zu ein Anruf, oder mal ein Teambesuch mit einem Spaziergang verbinden, würde ich allen zukünftigen Müttern empfehlen. So klappt der Wiedereinstieg ins Berufsleben dann vielleicht ein bisschen einfacher. Ansonsten sind eine gute Organisation und auch ein bisschen Flexibilität immer von Vorteil. Die Wohnung nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zu putzen oder ein aufwendiges Abendessen zuzubereiten, fällt dann eben nach anstrengenden Arbeitstagen auch mal flach – und das ist auch gut so.
Ihr Sohn ist ja gerade zur Eingewöhnung in Ihrem Kindergarten. Kann er verstehen, dass Sie hier arbeiten müssen und nicht mit ihm Zeit verbringen?
Ja, das ist lustig, denn wir haben extra ein Schild gebastelt, welches ich nun am Arbeitsplatz trage. Darauf ist ein Piktogramm gedruckt, das zeigt ihm „Mama ist auf Arbeit“. Immer wenn ich ihn zufällig im Haus treffe, zeige ich auf das Schild, damit er versteht warum ich mich gerade nicht um ihn kümmern kann. Wir sind gerade noch in der „Erprobungsphase“ und hoffen, dass es funktioniert und er sich dann umso mehr freut, wenn ich ihn nach Feierabend mit nach Hause nehme und wir dann endlich Zeit zum Kuscheln und Spielen haben.
Auch der Allgemeine Anzeiger hat über unsere Alltagsheldin Sandy Becker berichtet. Den Zeitungsartikel finden Sie hier.