Diagnose: 12. Platz bei der WM

Art der Behinderung: Waghalsiger Chairskater



Was würden Sie machen, wenn Sie mit 20 Jahren plötzlich im Rollstuhl sitzen würden? Diese Frage musste sich Philipp Cierpka, Mitarbeiter im CJD in Erfurt, vor einigen Jahren stellen. Aufgeben oder leben?! Der mittlerweile 24-jährige Mann hat sich entschieden, das Leben zu genießen mit allem was dazu gehört. Sein Leben ist bunt, aufregend und manchmal ein bisschen gefährlich, denn Philipp zählt zu den weltbesten Chairskatern.

Auf den ersten Blick führt der sportbegeisterte junge Mann ein ganz normales Leben. Im Rahmen unseres Ambulant Betreuten Wohnens erhält er die Unterstützung, die er benötigt, um sein eigener LebensMANAGER zu sein.

In einem Außenarbeitsplatz der Erfurter Werkstätten unterstützt er ein Fitnesscenter in Elxleben. Ungewöhnlich ist nur, dass er fast täglich neue Stunts und Fahrmanöver mit seinem Rollstuhl ausprobiert, denn Philipp Cierpka skatet – mit seinem Rollstuhl.

WCMX (Wheelchair Motocross) oder Chairskating heißt der Sport. Sogar das „Grinden“ – also das Entlanggleiten an Geländern – beherrscht der junge Chairskater. Dahinter steckt eine Menge harter Arbeit – jeder Trick muss hundertfach geprobt werden. Zusätzlich sucht Philipp Cierpka im Netz nach neuen Ideen und fährt zu Workshops und Treffen in ganz Deutschland, um neue Stunts zu erlernen und Leute zu treffen, die seine Leidenschaft teilen.

Seine Leidenschaft für diesen Sport begann mit der Diagnose Hereditäre spastische Spinalparalyse – kurz HSP, die ihn mit 20 Jahren vor die Frage stellte: Wie will ich damit umgehen?

Der erste Rollstuhl vom Krankenhaus, den Philipp Cierpka bekam, war groß und viel zu sperrig. Doch das gab ihm den Antrieb, Veränderungen zu begrüßen. Anstatt seinen Frust zu betäuben, fing er an, stundenlang im Internet nach Antworten zu suchen. Dabei stieß er auf den Amerikaner Aaron „Wheelz“ Fotheringham, den Tony Hawk der Chairskating-Szene. Von da an waren seine Leidenschaft und sein Ehrgeiz geweckt. Sogar ins Fernsehen schaffte er es. In der Fernsehserie „Rote Rosen“ absolvierte er als Stuntman einen 3-Meter-Sprung und drehte als einer von vielen Protagonisten für die „Aktion Mensch“ einen Spot auf Mallorca.

Doch unbestritten, das größte Highlight seiner bisherigen Chairskaterlaufbahn war die Teilnahme im April 2015 an der Weltmeisterschaft in Texas. Damit ging für Philipp Cierpka ein großer Traum in Erfüllung. Spannend waren für den Sportler, die Backflips und Tricks der anderen Skater mit eigenen Augen zu sehen.

Außerdem traf der unerschrockene Chairskater sein größtes Vorbild – Aaron Fotheringham! „Er ist so spaßig. Wir haben zusammen gelacht und Blödsinn gemacht! Schön ist auch, dass unser Rollstühle die gleiche Farbe haben!“, so berichtete Philipp Cierpka mit leuchtenden Augen wenige Tage nach der WM.

Eine komplett neue Erfahrung für ihn war das Zusammenstellen und Darbieten einer zweiminütigen „Show“ mit den Elementen, die er beherrscht. Dass er seine Show und andere Hürden der WM mit Bravour meisterte, bewies er mit seinem Einzug ins Finale und einer WM-Platzierung an 12. Stelle.

Dass Philipp Cierpka ins Finale kam und den 12. Platz belegte, war ziemlich unwirklich für ihn. Vor allem nach seinem Sprung auf eine ziemlich knifflige Rampe, der einen Sturz aus 1.80m Höhe inklusive ein eierndes Rad mit sich brachte, freute er sich umso mehr über seinen Sieg.

Das Ziel des unerschrockenen Chairskaters ist es, bei der nächsten WM einen Platz unter den ersten zehn zu erreichen - und dafür wird er kämpfen.

Philipp Cierpka ist für uns ein AlltagsHELD und LebensKÜNSTLER, der anderen Mut macht, an sich selbst und an die eigenen Träume zu glauben. Wenn man ihn bei seinen Stunts beobachtet, dann wird einem bewusst, dass es Zeit ist für eine Inventur der eigenen Gedanken, um an Überzeugungen, Ansichten und festgefahrenen Denkmustern zu rütteln.

Diese Geschichte zeigt, dass es keinen Sinn macht, sich in Schubladen zu zwängen und die Stimmen anderer zu der eigenen Stimme werden zu lassen. Sie zeigt auch, dass das Leben manchmal ganz wunderbare Wege geht, wenn man den Mut hat, seiner Intuition und seinem Herzen zu folgen.

12.05.2015