„Bei mir spielen die Kinder besonders viele Bewegungsspiele“, so erklärt Sabine Leder Kindern ihren Beruf. Sie ist Motologin, eine Berufsbezeichnung, die wohl für viele nichtssagend ist. In unserer Kategorie „Mein Job, dein Job“ haben wir mit ihr über ihren Arbeitsalltag gesprochen und sie gebeten, uns über diese Begrifflichkeit aufzuklären.

Was müssen wir uns unter dem Beruf „Motologin“ beziehungsweise unter dem Begriff „Motologie“ vorstellen?


Motologie lässt sich auch als Psychomotorik bezeichnen. Es handelt sich um ein ganzheitliches Konzept der Entwicklungsförderung. Im Mittelpunkt steht die Bewegung und Körperlichkeit des Menschen. Motologie ist ein Studiengang an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät mit dem Abschluss Master. Da es sich um ein Aufbaustudium handelt, ist eine Grundlagenausbildung im pädagogischen Bereich oder im mittleren medizinischen Bereich nötig. Es gibt unterschiedliche Arbeitsfelder, zum Beispiel in Kindergärten, Förderzentren, Schulen oder im Kurwesen. Die Psychomotorik bzw. Motologie läuft unter der Überschrift Heilpädagogik, das heißt ich gehöre zum Kreis der Heilpädagogen.

Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um Ihren Job zu machen?


Man braucht ein Herz für Kinder, Geduld und das Vertrauen in sich, eine gute Entwicklung anschieben zu können. Außerdem sind ein bejahendes Verhältnis zu unterschiedlichsten Bewegungsarten sowie Flexibilität und Phantasie gefragt.

Wenn Sie einem Kind Ihren Beruf erklären müssten, wie würden Sie das tun?

Bei mir spielen die Kinder besonders viele Bewegungsspiele. Es gibt Kinder, die immer sehr langsam sind, sehr oft hinfallen oder sich gar nicht bewegen möchten. Ich versuche ihnen zu zeigen, dass Bewegung auch Spaß machen und ihnen gut tun kann.

Manchmal besuchen mich die Kinder zum Spielen in einem Raum, in dem ich große Bausteine, verschiedene Bälle, Matten und ein großes Trampolin habe. Oder ich besuche die Kinder in ihrem Kindergarten. Dort gehen wir in den Sportraum oder in den Garten. Manchmal bleiben wir auch bei den anderen Kindern und spielen gemeinsam. Dann bauen wir zum Beispiel im Sand, hüpfen, klettern am Gerüst, spielen mit Gummitwist oder einem Ballon.

Wann und warum sollten Kinder zur Motologie-Förderung kommen?


Das Ziel der Förderung ist die Erweiterung der allgemeinen Handlungskompetenz oder auch Kommunikationsfähigkeit. Dabei wird den Bewegungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten der Kinder besondere Beachtung geschenkt.

Das Spektrum an Gründen für motologische Förderungen ist breit gefächert. Mich besuchen Kinder, die noch ungeübt und unsicher in ihren Bewegungen sind, die mehr Bewegung als andere brauchen oder denen es schwer fällt, zu entspannen. Es kommen aber auch solche, die Besonderheiten in der Wahrnehmung zeigen, die Schwierigkeiten haben, sich über eine längere Zeit zu konzentrieren, die ängstlich sind und sich mehr Selbstsicherheit wünschen oder Kinder, die sich besonders schwer in Kindergruppen einleben.

Wie sieht eine „typische“ Motologie-Förderung bei Ihnen aus?

Da das Anforderungsspektrum so breit ist, verläuft auch jede Förderung anders. Es gibt aber dennoch eine wiederkehrende Struktur mit Ritualen: Zuerst begrüßen wir uns, dann kommt eine erste Bewegungseinheit, gefolgt von Übungen zum Wahrnehmen und Besinnen. Dabei wickelt sich das Kind zum Beispiel wie ein „Rollmops“ in eine weiche Matte ein. Dabei kommt es zur Anregung des Gleichgewichtssystems. Weiterhin Lernen wir durch das Anschauen und Besprechen von Sachbüchern, spielen Spiele zur optischen Differenzierung oder Mengenlehre oder Kneten zur Verbesserung der Feinmotorik. Dann kommt nochmal eine Bewegungseinheit, bei der wir zum Beispiel „Feuer, Wasser, Sand“, „Blinde Kuh“ oder „Mein rechter, rechter Platz ist leer…“ spielen, bevor wir uns verabschieden. Neben diesem Ablauf stehen vor allem auch die Freude und das Lachen im Vordergrund.

Sind diese Förderungen einzeln oder in der Gruppe?

In der Frühförderung überwiegen die Einzelstunden. Sollte das soziale Lernen beim Kind ein vordergründiges Ziel sein, so finden auch Phasen in einer Kleingruppe oder innerhalb der Kindergartengruppe statt.

Gibt es Herausforderungen, mit denen Sie sich in Ihren Förderstunden auseinandersetzen müssen?

Der Erfolg ist an die Mitwirkung der Familien gebunden. Elternberatung ist ein intensiver Teil meiner Arbeit. Wenn es hier kein gemeinsames, entwicklungsförderndes Miteinander gibt, stoße ich an meine Grenzen.

Können Eltern in die Interdisziplinäre Frühförderstelle kommen und sich gezielt Ihre Förderung wünschen?

Nein, aber Eltern können sich für ihr Kind eine Förderung mit den Schwerpunkten „Bewegung“ und „Wahrnehmung“ wünschen. Durch die Diagnostik wird der Bedarf ohnehin deutlich. Ich tausche mich auch mit anderen Heilpädagogen zu verschiedenen Angebotsmöglichkeiten aus, immer mit Blick auf die individuelle Situation des Kindes.

Wie lange kommt ein Kind durchschnittlich zu Ihnen?

Wenn die Kinder im Alter von 4 Jahren zu uns kommen, dann besuchen sie meistens für zwei Jahre unsere Einrichtung. Oft handelt es sich um eine Komplexmaßnahme, dann erhalten die Kinder parallel auch Logopädie, Physiotherapie oder Ergotherapie. Ein Förderzeitraum von ein bis zwei Jahren ist eine sehr gute Grundlage.

Welche 5 Schlagwörter beschreiben Ihre Motologie-Stunden am passendsten?

Bewegen, Spaß haben, Lachen, Regeln befolgen, laut und leise sein.

13.06.2017