Von der Macht der Worte
Wir haben 50 Menschen, die bei uns lernen, arbeiten und leben nur eine Frage gestellt.
„Wie fühlen Sie sich, wenn jemand Sie als „geistig behindert“ bezeichnet?“
Vielleicht denken Sie jetzt, was für eine komische Frage, aber so komisch ist sie gar nicht, denn die Mehrzahl der Gesellschaft würde behaupten, dass die Befragten „geistig behindert“ sind. Warum das so ist? Weil noch zu viele unter uns in Klassifikationen und Schubladen denken und andere Menschen gern in ihrem eigenen Spiegel der Normen sehen.
Doch wem nützen derartige diskreditierende, defizitorientierte und verallgemeinernde Etiketten? Wer gibt einem bestimmten Personenkreis überhaupt die Macht andere Menschen unter einem Begriff abzustempeln? Und was sagen derartige Zuschreibungen wirklich über die betreffende Person aus?
Aus unserer Sicht handelt es sich bei derartigen Beschreibungen von Menschen um nichts weiter, als gesellschaftlich konstruierte Bedeutungen, die durch eine dominierende Kultur von Professionellen vorangetrieben wird. Die Antworten auf die oben gestellte Frage sind ein trauriges Spiegelbild von dem, was zwei Worte – die viele Menschen (un)bedacht verwenden – bei Menschen, die eigentlich ganz normal anders sind, auslösen…
„Wie fühlen Sie sich, wenn jemand Sie als „geistig behindert“ bezeichnet?“
Traurig ∙ Verletzt ∙ Als dumm abgestempelt
Wütend ∙ Einsam ∙ Anders ∙ Verkehrt für die Welt
Erniedrigt ∙ Wie der letzte Dreck ∙ Mies ∙ Aggressiv
Diskriminiert ∙ Schrecklich ∙ Falsch ∙ Veralbert
Machtlos ∙ Beschissen ∙ Deprimiert ∙ Nicht schön
Unnormal ∙ Ganz klein und unten ∙ Einfach schlecht
Als halber Mensch ∙ Krank ∙ Als Mensch zweiter Klasse
Wir alle haben eine Menge von Hypothesen zu diesem Thema im Kopf. Und niemand weiß, ob sie wahr sind. Unser alltägliches Handeln wird jedoch davon bestimmt, an welche Art von Hypothesen wir jetzt und im Moment glauben. Also lassen Sie uns gemeinsam an nützlichere Wahrheiten und Konstruktionen glauben – für eine Zukunft ohne Etiketten.