Vom DENKakrobaten zum WegBEGLEITER

03.09.2015 CJD Erfurt « zur Übersicht


Zwischen Studium und Schichtdienst


Eine wichtige Aufgabe unseres Unternehmens ist es, passende Job-Talente zu entdecken und sie langfristig zu binden. Denn der Erfolg bei dieser Suche entscheidet maßgeblich über den Erfolg unserer Arbeit. Wir haben bei der Gewinnung der schlausten Köpfe gern die Nase vorn. Und damit das auch so bleibt, ist das CJD Erfurt immer auf der Suche nach jungen Menschen, die mitten im Studium stecken und nicht nur DENKakrobaten, sondern auch ein IMPULSgeber sein wollen. Theoretisch klingt die Vereinbarkeit von Studium und Beruf immer unkompliziert und irgendwie zu schön, um wahr zu sein. Aber weil wir selbst wissen, dass die Praxis die meisten Theorien widerlegt, haben wir mal bei zwei unserer schlauen Köpfe nachgefragt. Geht das Studium und Schichtdienst? Und wie nützlich sind praktische Erfahrungen? Josi und Jule erzählen uns keine schöngefärbten Märchen, sondern um was sich ihre Studium-Arbeits-Welt wirklich dreht.


Seit wann seid Ihr Studentinnen und was studiert Ihr eigentlich?

Josi: Ich habe mein Studium in Erfurt 2010 begonnen. Damals mit Erziehungswissenschaften und Lehr-, Lern- und Trainingspsychologie im Bachelor. Seit Oktober 2013 mache ich nun meinem Master im Bereich Sonder- und Integrationspädagogik und bin gerade dabei meine Masterarbeit zu schreiben.

Jule: Ich studiere Soziale Arbeit. Angefangen habe ich 2012 in Coburg, aber seit März bin ich an der Fachhochschule Erfurt.

Was macht Ihr im CJD Erfurt?

Jule: Bei mir ist es ein Fachpraktikum im Förderzentrum. Angefangen habe ich Ende März. In der Regel arbeite ich dort 32 Stunden in der Woche.

Josi: Seit Oktober 2014 arbeite ich neben dem Studium im Ambulant Betreuten Wohnen (ABW).

Wie würdet Ihr Euren Job bezeichnen, wenn es Worte wie Betreuer, Assistent oder Unterstützer nicht gäbe?

Jule: Als Lebensbegleiter.

Josi: Meistens erkläre ich, dass ich Menschen in ihrem Alltag begleite und ihnen dort mit Rat und Tat zur Seite stehe, wenn sie mich brauchen. Deshalb finde ich auch Begleiter am passendsten.

Josi, Du bist fest angestellt. Wie war da der Einstieg?

Josi: Das Team hat mich wirklich sehr herzlich aufgenommen. In den ersten Wochen durfte ich zusammen mit meinen Kollegen zu den Kunden gehen. Das hat mir den Einstieg sehr erleichtert, denn hier bekam ich Infos zu den einzelnen Personen und konnte aus den Erfahrungen der Anderen wertvolle Tipps für meine Arbeit ableiten.  Außerdem konnte ich so die Menschen, mit denen ich viel Zeit verbringe, schon ein bisschen besser kennenlernen – und das machte das Arbeiten sehr angenehm.

Das CJD Erfurt unterstützt Dich auch bei Deiner Masterarbeit. Wie sieht das aus?

Josi: Meine Masterarbeit befasst sich mit der Förderung von Menschen ohne „klassische“ Behinderungserfahrung in den Werkstätten. So gesehen hat die Arbeit nicht unbedingt etwas mit dem ABW zu tun, aber das CJD ist trotzdem eingebunden. Ich kann in den Erfurter Werkstätten des CJD meine Daten erheben. Dort habe ich auch schon zwei Praktika absolviert. Allerdings hat mich auch die Arbeit im ABW zu diesem Thema inspiriert. Einen meiner Kunden, der in der Werkstatt arbeitet, würde ich nicht als Person mit einer „klassischen“ Behinderungserfahrung wahrnehmen – und er selbst übrigens auch nicht. Er ist wie er ist, ein bisschen schusselig vielleicht, aber das bin ich auch.

Dein Studium nimmst Du augenscheinlich sehr ernst. Hast Du trotz Arbeit genügend Freiraum?

Josi: Also ich kann mich nicht beklagen. Wenn ich frei brauche und rechtzeitig Bescheid gebe, dann bekomme ich frei. Auch wenn es mal um kurzfristige Termine geht, bekommen wir das immer irgendwie hin. Mit meinen Vorgesetzten kann ich da ganz offen reden.

Wie seid Ihr beiden auf die Idee gekommen, Euch bei uns zu bewerben?

Josi: Ich war schon lange auf der Suche nach einem Job neben dem Studium, in dem ich praktische Erfahrung für meine berufliche Zukunft sammeln kann. Als ich mein zweites Praktikum in der Werkstatt absolvierte, haben mir meine Praktikumsanleiter davon erzählt und ein Dozent von der Uni erwähnte es in einem Seminar und hängte es dann an seinem Büro aus. Da dachte ich, ich kann es ja mal probieren.

Jule: Ich habe schon viele Praktika mit Menschen mit Behinderung gemacht und es hat mir jedes Mal viel Freude bereitet, daher wollte ich dieses Mal ein längeres Praktikum in diesem Bereich absolvieren. Für den Förderbereich habe ich mich entschieden, weil ich neugierig war, wie die Menschen hier ihren Tagesablauf gestalten.

Welchen Stellenwert hat Eure Arbeit für Euch?

Jule: Dadurch, dass man mit Menschen zusammenarbeitet, ist es auf keinen Fall ein Praktikum wie jedes andere und das war mir auch wichtig.

Josi: Für mich ist der Job im ABW nicht nur ein Studentenjob, denn ich sammle hier Erfahrungen, die ich später in meinem Beruf nutzen kann. Vielleicht werde ich nach dem Studium auch übernommen – und wer kann das schon von sich behaupten? Die meisten Studentenjobs sind in der Gastronomiebranche oder im Einzelhandel, da spreche ich aus eigener Erfahrung.

Wie schafft Ihr es, Hörsaal und Praxis zu vereinbaren?

Jule: Da ich mich derzeit voll auf mein Praktikum konzentriere, geht das sehr gut. Ich habe allerdings festgestellt, dass es sehr schwer ist, die Theorie mit der Praxis zu vereinen. In der Praxis sieht es doch immer ganz anders aus. Ich habe schon einige Theorien in der Arbeit wiedergefunden, aber ich kann nicht behaupten, dass ich die Theorie mit der Praxis so einfach verbinden kann.

Josi: Da meine Seminare oder Vorlesungen meistens am Vormittag stattgefunden haben, stellte das weniger ein Problem für mich dar, denn die Arbeit beginnt ja erst nachmittags. Wenn doch einmal eine Vorlesung in die Arbeitszeit reinfiel, konnte ich das vorher mit meiner Chefin absprechen und dann wurde ich anders eingeteilt.

Doppelbelastung oder doppelter Spaß?

Josi: Die Arbeit macht viel Spaß und da mir Freiräume in Sachen Studium gegeben werden, empfinde ich es auch nicht als Doppelbelastung.

Jule: Das würde ich so nicht differenzieren, aber ich finde es sehr gut, dass wir einmal die Woche Vorlesungen haben und Dinge aus dem Praktikum erläutern und analysieren können. Denn so erkennt man die Theorie in der Praxis und merkt, dass man doch mehr kann, als man vermutet hat.

Wo unterscheidet sich Theorie von Praxis ganz deutlich?

Jule: Theorien sind wissenschaftliche Daten und die Praxis erzählt ihre eigene Geschichte, man kann nicht einfach steif eine Theorie anwenden, da jeder Mensch ganz individuell ist.

Josi: Der Unterschied ist, dass man in der Theorie einzelne Konzepte kennenlernt, von denen man gesagt bekommt, nur das eine sei das einzig Wahre und nach diesem sollte man sein pädagogisches Handeln ausrichten. Aber in der Praxis erlebt man Situationen „live“ und erkennt schnell, dass man nicht nach einem bestimmten allgemeingültigen Konzept handeln kann. In der Praxis muss man personenzentriert arbeiten und sich auf die Leute einlassen. Man muss schauen, welche Aspekte aus der Theorie eventuell für die Begleitung vorteilhaft sind. So passiert es, dass man alles, was man theoretisch und praktisch gelernt hat, mit intuitiven Handlungen vermischt.

Gibt es etwas, das eine von Euch in Theorie und Praxis am liebsten sofort ändern würde?

Josi: Das ist eine wirklich schwierige Frage – vielleicht die Ansicht, dass Menschen mit Behinderungserfahrungen als hilflos generalisiert werden. Das sind sie oft gar nicht.

Josi, brauchst Du im Vergleich zu anderen Studenten länger für Deine Scheine?

Josi: Nein, das funktioniert gut.

Was nehmt Ihr mit aus Eurer Studenten-/Arbeitszeit?

Jule: Dass ich gern weiterhin in diesem Bereich arbeiten möchte.

Josi: Ich habe hier tolle Menschen kennengelernt und nehme eine Menge Erfahrungen und Erlebnisse mit, die mich in meiner persönlichen Entwicklung weitergebracht haben.

Könnt Ihr mit uns vielleicht eine Begebenheit teilen, die Euch im Verlauf Eurer Arbeit besonders bewegt hat?

Josi: Eine meiner Kundinnen hat im letzten halben Jahr eine tolle Entwicklung gemacht. Erst zog sie aus dem Wohnheim in eine eigene Wohnung mit ihrem Lebenspartner und nun wollen die beiden heiraten. Ich finde das wirklich toll und das ist wirklich etwas ganz besonderes.

Jule: Eine Klientin war sehr hilfsbereit. Sie hat Dinge für mich erledigt, die ich selber nicht kann, da ich im Rollstuhl sitze. Es waren mehrere Kleinigkeiten, wie Stühle raus tragen, Besen holen und Bilder von oben abhängen. Zur Belohnung durfte sie einen extra Kaffee trinken, darüber hat sie sich so sehr gefreut, dass sie mich in den Arm genommen hat und überglücklich aussah. Es hat mich selber sehr gefreut, da sie sich über eine Kleinigkeit so gefreut hat und das finde ich bewundernswert, da das viele Menschen verlernt haben.

Noch etwas, dass Ihr Studienanfängern mit auf den Weg geben würdet?

Josi: Wenn Ihr es zeitlich schafft, dann kann ich Euch nur empfehlen, einen Job in Eurem Fachbereich zu suchen. Ihr sammelt schon mal erste Erfahrungen und könnt Praxis und Theorie gut verbinden, denn Ihr sitzt an der Quelle, was die Praxisbeispiele betrifft.

Habt Ihr Lust bekommen, weiter hier zu arbeiten oder schwebt Euch etwas anderes vor?

Josi: Wie gesagt, kann ich mir meine Arbeit im ABW als Berufseinstieg super vorstellen.

Jule: Ich möchte beruflich später nicht direkt in einer Einrichtung arbeiten. Mein Traum ist es, mit Menschen und Hunden zusammen zu arbeiten, da ich es unglaublich finde, was Hunde alles bewirken können.

Gibt es beim CJD Erfurt in der Begleitung von Studenten etwas zu verbessern?

Jule: Dazu fällt mir nichts ein, da ich herzlich aufgenommen wurde, mir die Arbeit gut gefällt, das Miteinander der MitarbeiterInnen humorvoll und herzlich ist und wenn mich etwas stört, kann ich es benennen und es wird daran gearbeitet.


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* ….aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns zur sprachlichen Glättung des Interviews entschieden. Mit großer Sorgfalt haben wir darauf geachtet, den inhaltlichen Gehalt und die Authentizität dadurch nicht zu verändern.