Und das schaffst Du so ganz allein?

22.09.2015 CJD Erfurt « zur Übersicht

…diese seltsame Frage muss sich Jens Rohbock öfter mal gefallen lassen. Nicht nur, dass fremde Menschen den 44 Jahre alten Mann einfach duzen, nein, er muss auch noch seine Alltags-Kompetenzen immer wieder bestätigen. „Ja, ich wohne allein und bekomme meinen Haushalt prima geregelt.“ und „Nein, ich habe keinen rechtlichen Betreuer.“ gehören zu seinem Standardrepertoire von Antworten.

Doch warum muss sich ein Mensch wie Jens Rohbock immer wieder diese Frage gefallen lassen? Würde man einem gleichaltrigen Mann, der nicht mit Gehhilfe läuft, einen Job außerhalb einer Werkstatt hat und vielleicht wortgewandter ist, die gleiche seltsame Frage stellen? Vermutlich nicht… aber wenn die Menschen wüssten, was Jens Rohbock in seinem Leben schon alles erreicht hat und wie er mit unglaublich viel Geschick, Durchsetzungsvermögen, Kreativität und Mut seinen Weg geht, dann würden sie ihm ganz andere Dinge zutrauen, als ein bisschen Wäsche, Kochen und Anträge für Ämter zu unterschreiben. Denn Jens Rohbock ist ein wahrer Alltagsheld.

42 Jahre lang lebte er mit seiner Mutter gemeinsam unter einem Dach. Doch als diese plötzlich ins Krankenhaus musste, stand ihm ein neuer Lebensabschnitt bevor. Auf dem Weg zu seinen eigenen vier Wänden hatte Herr Rohbock die Wohnangebote vom CJD Erfurt zunächst nicht im Blick. Aber durch die Absage eines anderen Trägers und einen glücklichen Zufall landete er eines Tages im Büro vom Sozialdienst im CJD Erfurt. Zunächst entschied sich Jens Rohbock für eine Wohnstätte mit 24-Stunden-Service, um sich Schritt für Schritt auf die nächste Wohnetappe vorzubereiten.

Doch bereits nach wenigen Monaten stand für den willensstarken Mann ein neues Ziel im Mittelpunkt – der Einzug in die eigene Wohnung. Freunde und Bekannte schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und rieten ihm zunächst in eine Außenwohngruppe zu ziehen, in der eine engmaschigere Begleitung geboten wird. Aber Jens Rohbock hatte dazu keine Lust und das Team vom Ambulant Betreuten Wohnen (ABW) bestärkte ihn in seinem Wunsch nach mehr Selbstständigkeit. Mittlerweile lebt Herr Rohbock seit 4 Monaten in seiner schön geschnittenen Einraumwohnung mitten in Erfurt. Und er ist ziemlich glücklich über diesen Schritt.

Oft wird Menschen mit einer zugeschriebenen Andersartigkeit unterstellt, sie seien per se machtlos und abhängig und könnten ihr Leben nicht allein meistern. Und meistens sind es genau diese Vorurteile, Missverständnisse oder einfach Ängste und Hemmungen, die sowohl Menschen wie Jens Rohbock, als auch ihre Angehörigen gar nicht erst auf den Gedanken an ein Leben in den eigenen vier Wänden bringen. Jens Rohbock beweist, dass es nie zu spät ist, um neue Wege zu gehen und Visionen zu leben. Seine Lebensspur zeigt, dass die bürokratischen Hürden auf dem Weg zur Selbstbestimmung gar nicht so hoch wie befürchtet sind und mancher Vorbehalt sich nach fachkundiger Information in Luft auflöst.

Vermutlich wird Herr Rohbock kein Hemd in drei Minuten bügeln können und ob er jemals Coq au vin hinbekommen wird, steht auch in den Sternen, aber Hand aufs Herz, wer ist schon perfekt?!

Die Geschichte von Herrn Rohbock hat uns natürlich zu ein paar Fragen zum Thema Wohnen inspiriert. Wer Lust auf das gesamte Interview hat klickt einfach hier!